Der Physiker mit Zahl
Piotrek ist Doktorand an der Fakultät für Physik und Astronomie der Breslauer Universität.
- Mein Tattoo zeigt die Zahl e, das heißt, die eulersche Zahl. Es ist eine so nette Zahl, die in sehr vielen Bereichen der Physikund der Mathematik vorkommt. Ich möchte mich hier nicht lange über sie auslassen, weil sie sehr viele Eigenschaften hat, das kann man sich in der Literatur anschauen – sagt Piotr. – Was es für ein Tattoo sein soll, wusste ich schon lange, nur die Umsetzung hat mich sehr viel Zeit gekostet. Zuerst musste ich ein spezielles Computerprogramm schreiben, das dieses Design erstellt hat. Interessant ist dabei, dass die Zahlen der Exponentialfunktion entsprechend verschwinden. In der Arbeit stört mich die Tätowierung überhaupt nicht. Ich bin Physiker und beschäftige mich mit der Wissenschaft, eine derartige Zeichnung, auf dem Körper angebracht, erweckt eher positives Interesse an der Uni. Wir es weitere Tattoos geben? Ich habe schon zwei Ideen, möchte aber damit noch warten.
"Es gibt wenig Menschen mit einem Tattoo und noch weniger mit zwei"
Michal ist Eigentümer eines Projektbüros und entwirft originelle Stickers und Kleidung.
- Momentan habe ich 8 Tattoos und bin ein Beispiel dafür, dass das "Stechen" süchtig macht, schließe mich deshalb auch der Behauptung an, dass es "Wenig Menschen mit einem Tattoo gibt, und noch weniger mit zwei" - sagt Michał. – Mein erstes Tattoo ließ ich noch im Lyzeum machen, das ist mittlerweile durch ein anderes Muster verdeckt. Wenn also jemand nach meinem ersten "richtigen" fragt, so war dieses von einem zukünftigen Tattoodesigner entworfen, nach meinen Vorschlägen und Ideen. Ehrlich gesagt, ich habe nicht viel darüber nachgedacht, ich habe es einfach machen lassen. Heute habe ich schon ein bisschen genug davon und plane, darauf etwas Neues zu machen.
Michałs Tattoos lassen sich kaum übersehen, aber wie er selbst zugibt, hat er noch niemals deswegen Schwierigkeiten mit seinen Arbeitgebern gehabt.
- Michałs Tattoos lassen sich kaum übersehen, aber wie er selbst zugibt, hat er noch niemals deswegen Schwierigkeiten mit seinen Arbeitgebern gehabt.
- Heute bin ich mein eigener Chef, deshalb betrifft mich dieses Problem überhaupt nicht. Es ist mir aber noch nie passiert, dass jemand von den früheren Arbeitgebern mich angefordert hat, die Tattoos zu bedecken oder mich deshalb entlassen hat. Ich habe einen Verdacht, dass mich jemand sogar deswegen einstellt hat, es sind aber nur Spekulationen. Was Menschen mit Tattoos betrifft, sie fallen mir auf, jedoch meiner Meinung nach, in Breslau gibt es noch nicht sehr viele. Zum Glück gibt es noch Events wie die Tattoo-Konvents, die weitere, noch „saubere“ aufklären und anstecken. Auf diese Weise wird es immer bunter.
Zwei Beine und ein Tattoo
Monika arbeitet in der Finanzabteilung einer großen Breslauer Firma.
- Ich habe ein Tattoo, allerdings auf zwei Beinen. Ich habe es vor zwei Jahren machen lassen, inspiriert wurde es durch ein vor langer Zeit im Internet gefundenes Foto, wie auch dadurch, dass meine bekannte Tätowiererin das beste Händchen für grafische/geometrische Tattoos hat. Wir sprachen über den Stil und das Design und innerhalb von einigen Monaten hat sie für mich ein Tattoo entworfen, das wir auch gleich umgesetzt haben.
Ich habe mich damals darüber so gefreut, dass ich gar nicht an weitere gedacht habe. In der letzten Zeit denke ich jedoch über eine Weiterentwicklung dieses Musters nach, das ich es größer oder malerischer machen lasse. Ja, das Tätowieren macht süchtig – gibt Monika zu. – Das Tattoo ist relativ sichtbar, aber in der Arbeit brauche ich es nicht großartig abzudecken. Ich habe noch nie deshalb Probleme in der Arbeit gehabt. Ich würde eher sagen, es ist mein Trumpf, ein Überraschungseffekt, das oft für Begeisterung sorgt. Ich persönlich bemerke schöne Tattoos und finde, dass sich immer mehr Menschen dazu entschließen, auf diese Weise ihre Körper zu verschönen. Das Tattoo wird nicht mehr nur mit Gefängnis in Verbindung gebracht, es ist viel mehr eine Art künstlerische Botschaft – fügt sie hinzu.
"Ich realisiere ein durchdachtes Konzept"
- Ich habe 5 Tattoos, bin jedoch nicht der Meinung, dass man von dieser Art des Körperschmucks abhängig werden kann. Ich realisiere viel mehr ein vom Anfang bis Ende durchdachtes Konzept, obwohl ich zugeben muss, dass es nicht immer der Fall war - sagt Magdebursky (das Pseudonym wird auf Wunsch des Gesprächpartners benutzt), der sich mit Fotokunst beschäftigt. – Mein erstes Tattoo habe in unter industriellen postapokalyptischen Kellerverhältnissen gemacht, eigenhändig, mit einem Gerät für Hausgebrauch, inspiriert durch impulsive und jugendliche Explosion der Spontaneität. Diese Jugendsünde werde ich nun mit einem neuen, durchdachten Design verdecken, und in diesem Fall werde ich mich bei der Auswahl des Studios, in dem ich mich tätowieren lasse, vor allem nach dem Design richten, welches ich machen will. Jeder Tätowierer – vorausgesetzt, er ist ein waschechter Künstler und kein Handwerker – spezialisiert sich auf eine bestimmte Stilistik und das soll uns auch in den richtigen Laden bringen. In Wirklichkeit sieht es so aus, dass die Warteschlangen zu solchen Personen sehr lang sind und wir oft monatelang warten müssen, ich kenne sogar Fälle, dass man freie Termine erst im nächsten Kalenderjahr suchen muss. Es ist eine individuelle Sache jedes Einzelnen, ob er so lange warten will und ob für ihn z.B. der Preis ausschlaggebend ist. Die Arbeit an meinen früheren und zukünftigen Tattoos überlasse ich stets demselben zuverlässigen Tätowierer. Vor allem deshalb, dass er mich während der Sitzung Zeichentrickfilme angucken lässt und mir zehn Tage für Reklamation gibt – lacht er.
Tattoo? Das ist Mode!
Kann man beim Körpertätowierung bereits von Mode sprechen? In Breslau entstehen immer mehr Orte, wo man sein Körper auf diese Weise verschönern kann und immer mehr Menschen lassen sich ein Tattoo machen.
Cropp Tattoo Konwent 2014 in Breslau
- Man kann es wohl schon als Mode bezeichnen. Dieser Trend breitet sich allmählich unter neuen Menschen aus, die kommen, weil sie einfach ein Tattoo haben möchten, nicht unbedingt, weil sie dadurch etwas aussagen wollen - geben die Tätowierer vom Breslauer Studio Cleanfun zu. – In der Regel ist es so, dass sie mit irgendeiner Idee kommen. So ist es bei größeren Tattoos, dann entwerfen wir das Design oder bearbeiten das, was uns der Kunde gebracht hat. Es gibt auch Leute, die weder ein Design, noch eine Idee mitbringen, sie haben nicht mal die Stelle ausgesucht, auf der dieses Tattoo gemacht werden soll.
Ein Tattoo ist auch nicht mehr ein Abzeichen der jugendlichen Rebellion oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Subkultur.
- Oft sind es junge Menschen, allerdings vor zwei oder drei Wochen hatten wir einen Fall, dass mehrere Juristen oder Anwälte zu uns kamen, um sich bei uns mittlerweile ihre weiteren Tattoos machen zu lassen. Unter unseren Kunden gibt es auch ein 60jähriges Ehepaar. Die Frau ließ sich innerhalb von zwei Jahren schon 5 Tattoos machen und der Herr hat mittlerweile einen ganzen „Ärmel" (Anm. der Red. das ganze Arm tätowiert). Interessant ist zudem, dass sich innerhalb der letzten zwei Jahre die Stellen für die Anbringung der Tattoos geändert haben. Die Leute haben keine Angst mehr, sich an sichtbaren Stellen tätowieren zu lassen, auf Unterarmen, Waden, sogar auf dem Hals.
Was das Design betrifft, so gibt es hier keine Regel. Manche mögen schwarz, andere bunt, einige wiederum möchten, dass das Tattoo sie definiert, für andere ist es bloß Schmuck.
- Im Fall von kleineren Tattoos ist es oft so, dass das Design einfach schön sein soll. Die Mädchen entscheiden sich meistens für die gerade sehr aktuellen Feder oder Traumfänger. Einige wiederum kommen mir einem Muster, der sie auf irgendeine Art definieren soll. Wir haben einen Bekannten, der im Krankenhaus arbeitet, er ist Röntgentechniker und ließ sich ein Portrait von Wilhelm Röntgen tätowieren.
ulaj